Kulturstiftung Hohenlohe

Seitenbereiche

Seiteninhalt

Aktuelles

von der Kulturstiftung

Grazile Nonkonformistin - von Leonore Welzin, Heilbronner Stimme, 23.08.16

In der Pause erinnert sich eine Konzertbesucherin, dass Young-Choon
Park bereits vor zwölf Jahren beim Hohenloher Kultursommer aufgetreten ist. Was
die südkoreanische Pianistin damals im Kloster Schöntal zu Gehör brachte,
konnte die Dame nicht mehr sagen, aber wie sie spielte, mit einem Furor,
"dass wir Angst hatten, sie macht aus dem Flügel Kleinholz". 

Beim Auftritt am Flügel im Adolf Würth-Saal der
Kunsthalle in Schwäbisch Hall muss man sich trotz energischer Anschlagskultur
und reichlichem Pedaleinsatz um den Bechstein-Flügel keine Sorgen machen.
Allenfalls um Robert Schumann (1810-1856), Franz Liszt (1811-1886) und Frederic
Chopin (1810-1849), drei "Romantische Zeitgenossen", so der Programmtitel,
die von dem grazilen Persönchen gehörig gegen den Strich gebürstet werden. Ein
Nachteil, wenn man romantischen Konformismus erwartet. Eine angenehme
Überraschung, wenn man die interpretatorischen Freiheiten und Spielräume dieser
Nonkonformistin zulässt. 

Mit Wucht

Seit Jahrzehnten im internationalen Konzertgeschehen zu Hause, nutzt Young-Choon
Park gleich beim Einstieg mit Schumanns Sonate Nr. 2 g-Moll die Unzufriedenheit
des Komponisten. Der brauchte für das Werk sechs Jahre (1830-1835), schrieb,
verwarf und verfasste einzelne Sequenzen neu. Park lässt motivische
Wiederholungen mit der Wucht tektonischer Verschiebungen aufeinanderprallen,
anecken und verkantet liegen. 

Fluchtartig jagt eine Hand die andere, am Ende des
Andantino liegen ihre Hände überkreuzt auf den Tasten, darüber der tief
geneigte Kopf, ein Bild, zart und zerbrechlich wie der sterbende Schwan. Frisch
flattert das Scherzo quasi neu geboren auf und geht über ins furiose "Rondo.
Presto." Park klopft Schumanns Romantik ab, nimmt sie auseinander bis zur
Kenntlichkeit des Wahnsinns. Weicher tropfen die Finger bei Liszts
"Venezia e Napoli" ("Venedig und Neapel") auf die Tastatur.

Die drei Charakterstücke (ebenfalls aus den 1830er Jahren)
"Gondoliera", "Canzone" und Tarantella", von Liszt als
Nachklang seiner Italienreise mit Zitaten populärer italienischer Volkslieder
unterlegt, erklingen bei Park wie impressionistische Klang-Gemälde. Teils
beschaulich, teils verwegen, lässt sich die Pianistin nie zu Gefühlswallungen
hinreißen, sondern flaniert mit Sinn fürs Detail auf den Spuren der Années de
Pélerinage ("Pilgerjahre"), wie Liszt sie nannte.


Klarheit

Von prophetischer Klarheit der erste Satz, das Allegro maestoso, kontrastreich das
Scherzo, in dem muntere Geschwätzigkeit von grübelnder Selbstbefragung abgelöst
wird. Nahtloser Übergang zum Largo, einem dieser edel-virtuosen
Chopin-Nocturnes. Danach hält Park inne, als lausche sie den Kirchenglocken
nach, die wie zufällig von draußen nach drinnen dringen, als wollten sie den
Spannungsbogen durchkreuzen. Plötzlich, wie vom Blitz getroffen, wirft sich
Park voll Elan in Doppeloktaven und Dissonanzen des Finales. Für Bravos und Applaus
bedankt sich die Asiatin mit einer Mozart-Sonate.