Kulturstiftung Hohenlohe

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Aktuelles

von der Kulturstiftung

Musikalisches Friedensgebet - von Dieter Fischer, Hohenloher Zeitung, 8.8.16

ÖHRINGEN Die Sängerinnen festlich in lange rote Röcke mit
schwarzem Oberteil gewandet, über dem Kammerchor aus Stuttgart thront das eindrucksvolle
Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert. Und ganz oben in der Apsis, fast vergessen,
der große gelbe Herrnhuter Stern, der auf seinen nächsten Auftritt in der
Adventszeit wartet. Doch heute bietet sich ihm die Gelegenheit zu einem
Gastspiel, schließlich geht es bei diesem Kultursommerkonzert in der Öhringer
Stiftskirche um Frieden auf Erden. 

Umfassender und stimmiger lässt sich jene Bitte um
Frieden nicht formulieren, als es die alten lateinischen Mess-Texte tun. Kein Wunder,
wenn nahezu alle Komponisten - angefangen von der Gregorianik bis ins Heute -
sich dieser bedienen und sich durch sie für ihre Mess-Kompositionen inspirieren
lassen. 

Zwei können die Zuhörer an jenem Konzertabend erleben -
die „Cantus Missae" in Es-Dur von Josef Rheinberger und die Messe Nr. 2
e-Moll für Chor und Bläser von Anton Bruckner - und dazwischen gestreut ein
Juwel, das ,,Ave Maria" in F-Dur für sieben stimmigen Chor a cappella,
ebenfalls von Bruckner. 

Leuchten Dank des famos singenden Kammerchors Stuttgart unter der Leitung von Frieder Bernius
wird es zu einem atemraubenden, innigen Meisterstück. Stilles Leuchten der Töne
durchflutet den Raum. Vor allem die Soprane klingen Engelsstimmen gleich unangestrengt
trotz höchster Höhen. Die schlank singenden Tenöre frei und nicht gequält, die
Bässe sonor selbst in tiefer Tiefe und der Alt deutlich, gut erkennbar und
alles mit höchster Konzentration. Ein Klanggemälde entsteht - seidig, samtig,
warm und trotzdem klar; selbst die dichten Passagen gelingen mit selten zu erlebender
Kraft und Transparenz. Das Publikum wird in weiten Bögen von Ton zu Ton geführt
und jedes Amen entfaltet sich zu einem gänzlich neuen Ereignis. 

Tonsprache Dass sich Rheinberger und Bruckner in ihrer Tonsprache, obwohl beide
katholisch, unterscheiden - der erste im Grundton heiter, der zweite eher
grüblerisch, ist ihren unterschiedlichen Leben geschuldet. Trotz der subtilen
Begleitung der Bläser der Klassischen Philharmonie Stuttgart wirkt bei
Bruckners Messe manches schwer und nur ab und an den Himmel erreichend. Das
letzte "pacem" seiner Messe atmet Sehnsucht nach Frieden und doch
irgendwie unerlöst. Es scheint, der Herrnhuter Stern hat nicht nur in der
Advents- und Weihnachtszeit noch jede Menge auf Erden zu tun.