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von der Kulturstiftung

Hohenloher Kultursommer: Von der Sehnsucht nach der Heimat - von Ralf Snurawa, 13. Juni 2017, Südwestpresse

Viele Musiker und Komponisten flohen zwischen 1933 und 1938 vor den Nationalsozialisten in die USA. Entweder wollten sie nichts mit dem rassistischen und menschenverachtenden Re­gime zu tun haben, oder sie gehörten dem jüdischen Glauben an.
Lieder von Operetten- und Schlagerkomponisten, die ins Exil gingen, hatte der Bariton Steven Scheschareg für sein Programm im mit 90 Zuhörern gut gefüllten Wurmbrandsaal des Alten Schlosses in Gaildorf ausgewählt. „Weil meine Familie aus Österreich vertrieben wurde, hat die Musik von vertriebenen Komponisten eine wichtige Bedeutung für mich persönlich und künstlerisch“, unterstreicht dies der in New York geborene und inzwischen in Wien lebende Sänger.

Heimweh im Mittelpunkt

Nur wenige Ohrwürmer aus den 1920er- und 1930er-Jahren erklangen am Samstagabend beim Konzert im Rahmen des Hohenloher Kultursommers. Für Scheschareg standen mehr der Umgang der Exilkomponisten mit der neuen Heimat und mit dem Heimweh im Mittelpunkt. Dazu gehörte etwa Ralph Benatzkys „Ein Wienerlied in New York“. Die Liedwiedergabe gestaltete Scheschareg entsprechend zwiegespalten: hier der etwas härtere amerikanische Tonfall, dort das charmant weiche Wienerische – und am Ende ein „Und mir ist bang nach Wien“.
Seiner jüdischen Frau zuliebe, erfuhr man von Moderatorin Christiane Zaunmair, hatte der Komponist von „Im weißen Rössl“ die Schweiz verlassen, wohin er schon 1932 wegen des „hakenkreuzlerischen Lebens“ gegangen war. Zaunmair führte in lockerer und nett-unterhaltsamer Moderation durch den Abend im Gaildorfer Schloss. Allerdings geriet ihr dabei Manches etwas zu lax in der Formulierung – und wenn es auch nur eine fehlende Betonung war. So sollte man zu „Robert Stolz war Arier“ entweder das Wort „Arier“ entsprechend durch Betonung in Anführungszeichen setzen oder zumindest mit einem „wie es die Nazis bezeichnet hätten“ ergänzen.
Steven Scheschareg hatte auch englischsprachige Lieder der  Exilkomponisten für sein Programm gewählt. Dazu gehörte das süffig mitreißende „One Touch of Vienna“ von Emmerich Kálmán oder das mit Innigkeit und ausdrucksvoll großer Geste von Scheschareg vorgetragene „Sweet Melody of Night“ von Erich Wolfgang Korngold. Mindestens ebenso empfunden und warm getönt – und besonders einfühlsam von Scott Faigen auf dem Klavier begleitet – erklang Walter Jurmanns „A Better World To Live In“. Sehnsüchtige Töne schlug der Bariton zu Paul Abrahams „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“ oder Robert Stolz’ „Von Wien nimmt man Abschied“ an, ähnlich zum wohlig wogenden „Wien wird tausendmal schöner“ von Fritz Spielmann.
Auch dessen „Schinken­fleckerln“ mit „Fleischversteckerln“ war zweisprachig zu hören. Mit demselben pointiert gewitzten Vortrag stattete Scheschareg Hermann Leopoldis „Da wär’s halt gut, wenn man Englisch könnt’“ aus. Das Publikum belohnte es mit langem Beifall.