Kulturstiftung Hohenlohe

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von der Kulturstiftung

Roter Mohn, blaue Blume, goldene Zeit - Heilbronner Stimme, 1.6.2015 von Leonore Welzin

„Hymne an eine goldene Zeit", so nennt der Hohenloher Kultursommer den Auftakt im Renaissance-Schloss Neuenstein: Gemeint ist die Musik des I8. Jahrhunderts, die mit Klangkünstlern wie Johann Sebastian Bach (1685- 1750), Jan Jiri Benda (1713-1752), Joseph Haydn (1732-1809) und dem frühvollendeten Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) eine Blüte erlebt deren Leuchtkraft so vital und farbintensiv ist wie roter Mohn. 

Dessen Blüte winkt als Symbol der 29. Ausgabe des hochkarätigen Festivals dem Publikum auf flatternden Fahnen entgegen. Über den kiesknirschenden Innenhof und eine steinalte Wendeltreppe der herrschaftlichen Residenz zieht der Besucherstrom in den prachtvollen Rittersaal. Das 20-köpfige Ensemble mit dem ironisch anmutenden Namen KlangVerwaltung, verwaltet zunächst Bachs Kunst der Fuge. 

Gehörgänge
Ohne Dirigent verblüfft das gut austarierte Zusammenspiel der Streicher. Das Tempo allerdings ist sehr gemach, so schleppen sich „Contrapunctus 1- 4“ dieses Lehrwerks musikalischer Gestaltungsmittel eher mühsam in die Gehörgänge. Das mag an der historischen Aufführungspraxis des Orchesters aus München (gegründet 1997 von den Geigern Andreas Reiner und Josef Kröner) liegen, sein Credo ist die treuhänderische Verwaltung des barocken und frühklassischen Repertoires. Vermutlich war damals gang und gäbe, was heutige Hörer als langatmig, träge und sperrig empfinden. 

Ganz anders präsentiert sich das Ensemble unter Leitung der Konzertmeisterin Ingrid Friedrich, die kurzfristig für Andreas Reiner einspringt, im Finale: Mozarts
Sinfonie A-Dur ist ein Ausbund polyphonen Jubels. Oktavsprünge, Akkordmelodik, Achtelläufe und Triolen, chromatisch fallenden Figuren, Crescendi mit Synkopen gespickt,
ein Menuett in marschartiger Melodie und punktierten Rhythmen kennzeichnen das viersätzige Werk. Schließlich werden im Allegro con spirito virtuose Läufe,
so genannte Raketen und längere Passagen mit Tremolo zu einem Gipfelsturm der guten Laune. Wobei die Streicher-Kapriolen von einem warmen Rückenwind der
Bläser - zwei Hörner und zwei Oboen - in luftige Höhen getragen werden. Hier tobt sich der schöpferische Genius aus, hier wird das Orchester, das Musiker der VIP-Kategorie zu Projekten vereint, seinen Vorschusslorbeeren mehr als gerecht. 

Das hinreißend lebendige Spiel der KlangVerwalter setzt mit Bach und Mozart musikalische Eckpfeiler. Mit Bendas Konzert für Violine und Streicher G-Dur und vor allem Haydns Konzert G-Dur für Violine und Orchester baut die Solistin Rebekka Hartmann das Konzert zu einer grandiosen Klangarchitektur aus. Ihr expressiv-körperlicher Stil ist einerseits von Qualitäten wie Ausdauer, Melodiefluss und nachdrücklicher Bogenführung geprägt, die Hobbys der Virtuosin ohne Starallüren sind Joggen und Schwimmen, das Tennis spielen hat sie der Musik zuliebe aufgegeben. 

Mystische Einheit
Andererseits verschmilzt die 34-jährige Musikerin mit ihrer Stradivari aus dem Jahr 1675 zu einer mystischen Einheit: „Sie ist meine Geliebte, mein Partner, mein Werkzeug, ein Körperteil, kurz, sie ist ein Teil von mir", sagt sie und erinnert in ihrer blauen Robe mit Blüte am Dekolleté an die blaue Blume der Romantik.

Für den fulminanten Applaus bedankt sie sich mit zwei Zugaben: Fritz Kreislers Recitativo und Scherzo-Caprice sowie der Gavotte en Rondeaux aus der Bach-Partita Nr.3 für Violine E-Dur. Einen schwungvolleren Auftakt hätte sich der Hohenloher Kultursommer nicht wünschen können.