Kulturstiftung Hohenlohe

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von der Kulturstiftung

Hexenmeister der Schlüsselfidel - von Andreas Dehne, Haller und Hohenloher Tagblatt, Südwestpresse, 3.8.2016

Da hat man sich nun auf den Weg gemacht, um auf der mittelalterlichen Burg in Vellberg, im altehrwürdigen Rittersaal mit den Wandmalereien, das Urgestein der Mittelaltermusik zu hören: Thomas Roth, den aktuell wohl besten Spieler der mittelalterlichen Nyckelharpa, auch Schlüsselgeige genannt. Den Mitbegründer der inzwischen als legendär geltenden musikalischen Mittelaltergruppe „Des Geyers schwarzer Haufen“. Und dann das: „Sie werden von mir heute Abend alles hören außer Schwedisch und Mittelalter.“
Das mit dem Schwedisch bedauert er fast ein wenig. So sehr ist er von dem schwedischen Café in Vellberg und seiner Wirtin angetan, die an diesem Abend das Catering übernimmt. Ein kleines schwedisches Ständchen wird es darum dann doch geben. Die Ursprünge des vielsaitigen Instrumentes werden in diesem nordischen Land vermutet.
Beim Mittelalter jedoch bleibt er hart. „Jedes dieser Lieder habe ich in den letzten 30 Jahren wohl so etwa 4000 Mal gespielt.“ Denn er kann auch ganz anders. Gleich zu Anfang, eigentlich noch vor Beginn des richtigen Konzertes, spielt er solo auf der Bühne ein langes Eröffnungsmedley, dessen Inhalte von Bach über Deep Purple zu Vivaldi reichen, also nahezu alle Genres der Musikgeschichte zu streifen scheinen. Was für ein fulminanter Auftakt. „Es ist in Stück, das ich geschrieben habe, um die Vielfältigkeit des Instrumentes zu demonstrieren.“ Das gelingt und wird vom Publikum mit reichlich Applaus bedacht.
Dann betreten seine Mitspieler die Bühne. Ihr Programm heißt „Tom & Herry and their Flea“. Neben Thomas Roth (Tom – Nyckelharpa, Gesang und Geschichtenerzähler) stehen Harald Scharpfenecker (Herry mit E, weil der Name auf „Tom & Jerry“ anspielt – Gitarren, Gesang) sowie Florian (Floh) Huber (Flea; Frankie DaFlea ist eine Figur aus „Tom & Jerry“ – Perkussion, Akkordeon, Gesang). Gemeinsam bieten sie ein außergewöhnliches Programm mit eigenen Stücken, aber auch Cover-Versionen unterschiedlichster musikalischer Stile.
Einer von vielen Höhepunkten des Abends ist die bisher unveröffentlichte „Fantasia classica“. Sie animiert die etwa 90 Zuhörer schon vor der Pause zu tosendem Applaus. Und das zu Recht. Wie der in Steinheim bei Marbach lebende Künstler mit Tönen, Zwischentönen („Die mitschwingende Saite“) und Untertönen sein mittelalterliches Instrument in die moderne groovige und bisweilen auch fast rockige Musikrichtung zu treiben versteht, ist nahezu unglaublich.
Der Hexenmeister mit dem Zauberbogen fasziniert sein Publikum scheinbar mühelos. Beim klassischen englischen Trinklied („Seasick Sailor“) genauso wie bei den zahlreichen Eigenkompositionen oder den Klassikern (“Dust in the wind“). Selbst die bayrische „Rehragout-Polka“ („Ich singe Akkordeon“) wird zum kulinarischen Ohrenschmaus. Die zahlreichen Redebeiträge von Thomas Roth lassen kabarettistisches Potential durchblitzen. So sinniert er über die „gelebte Niederlage der Freiheit in geschlossenen Beziehungen (Ehe).“
Der Hohenloher Kultursommer hat mit der Einladung von Thomas Roth ein denkwürdiges Konzert geboten. Auch wenn viele Besucher mit anderen Erwartungen gekommen sein mögen – enttäuscht ist sicher niemand nach Hause gegangen. Zum Schluss gibt es dann doch noch einen Hauch Mittelalter: „Was wollen wir trinken“, der Klassiker von „Des Geyers schwarzer Haufen“.