Kulturstiftung Hohenlohe

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Presseinformationen

Mit vollem Einsatz in ungeahnte Höhen - Hohenloher Zeitung, 9.6.2015, von Tamara Kühner

Dass eine Blockflöte zu mehr taugt, als zu musikalischer Früherziehung, das ist unter Kennern keine Neuigkeit. Doch dass sie zu derartigen Höhenflügen fähig ist, lässt das Kultursommer-Publikum im ausverkauften Rittersaal des Neuensteiner Schlosses staunen. Staunen über die Hingabe und das individuelle Können von Blockflötist Stefan Temmingh. 

Mit seinen Fähigkeiten hat er an diesem Abend auch kurzerhand den Dirigenten arbeitslos gemacht. „Schon bei der ersten Probe habe ich gemerkt, dass es keinen Dirigenten braucht", sagt Ruben Gazarian, Leiter des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn (WKO), das mit Temmingh musiziert. Also habe man das Ganze ohne Dirigent probiert und sei zu dem Schluss gekommen, dass der Flötist den Ton angibt. Und so erleben die rund 400 Zuhörer einen brillanten Solisten, der gleichzeitig das Orchester gekonnt leitet. 

Körpereinsatz Das erfordert dann schon mal ganzen Körpereinsatz von Stefan Temmingh. Doch den bringt der gebürtige Südafrikaner sowieso mit. Bereits beim Eingangsstück, dem Concerto für Blockflöte und Streicher in C-Dur von Georg Philipp Telemann, spielt Temmingh nicht einfach nur sein Instrument. Nein, er lebt die Musik,lebt jeden Ton mit jeder Körperfaser. Und das nicht nur, wenn er selbst die Finger fliegen lässt, sondern auch während der Orchester-Passagen. Fast scheint er in Versuchung, zu tanzen. Im zweiten Satz macht er plötzlich einen energischen Hüpfer, als ob der ihm den höchsten Ton überhaupt erst ermöglicht. 

Wärme Weder Antonio Vivaldis temporeiches Allegro molto aus dem Concerto per flautino C-Dur, noch die virtuosen Verzierungen bei Guiseppe Sammartinis Konzert für
Blockflöte und Streicher in F-Dur können dem präzisen Spiel Temminghs etwas anhaben. Jeder Ton sitzt, ist von großer Klarheit und Wärme. Wenn die tiefen Streicher im Largo Vivaldis rhythmisch schreitend zupfen und er selbst den Pizzicati lyrische Klanglinien entgegensetzt, ist die Ruhe nur von kurzer Dauer. Denn Sätze in hoher Geschwindigkeit dominieren. 

Bohuslav Martinus Partita für Streichorchester, die das Kammerorchester ohne Solist - nun unter der Leitung von Ruben Gazarian - bestreitet, scheint auf den ersten Blick aus dem Programm zu fallen. Doch in seiner Orientierung an die Concerti grossi Arcangelo Corellis schlägt Martinu einen gekonnten Bogen zwischen Telemann und Vivaldi. Häufige Wechsel zwischen Zupfen und Streichen meistern die Musiker ebenso problemlos wie Chromatik und zahlreiche Dissonanzen. 

Mit der technisch anspruchsvollen 57. Sinfonie von Joseph Haydn beschließt das WKO den Konzertabend unter Jubelrufen.