Kulturstiftung Hohenlohe

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Presseinformationen

Alte Musik, die vor Vitalität strotzt - von Rainer Ellinger, Haller Tagblatt, 17.06.2015

Das Konzert hätte eigentlich auf der Kleincomburg stattfinden sollen.
Weil in dieser derzeit keine öffentlichen Veranstaltungen stattfinden
dürfen, wich der Hohenloher Kultursommer in die Haller Hospitalkirche
aus.

Im Programm "El Galeón 1600 - von den Klängen einer anderen Welt"
begeistern die jungen Musiker mit Musik aus dem 16. bis 18. Jahrhundert.
Ihr Vortrag strotzt vor Vitalität und Intensität und besticht durch
technische Beherrschung der Instrumente und des Gesangs.

Wer den Ensemblenamen "Los Temperamentos" volksetymologisch
interpretiert, also sprachwissenschaftlich naiv auf temperamentvoll
zurückführt, befindet sich auf dem Holzweg: Der Name soll zum Ausdruck
bringen, dass das Sextett alle Facetten menschlichen Gemütes ansprechen
will; nämlich alle vier Charaktere, auch als Temperamente bezeichnet,
die der antike Arzt Hippokrates unterschied: Sanguiniker, Choleriker,
Melancholiker und Phlegmatiker.

Aber voll emotionalen Ungestüms sind die sechs Sänger und
Instrumentalisten allemal. Freilich kommt auch das elegisch-ruhige
Gefühlselement voll zur Geltung, etwa bei den von Franciska Anna Hajdu
gespielten Geigensoli des Tarquinio Merula (Zeitgenosse von Heinrich
Schütz) oder auch beim sehr kantablen Duett von Cello und Geige im
Adagio aus "Pastoreta Ychepé flauta" eines anonymen Komponisten des 18.
Jahrhunderts.

Allerdings überwiegt - namentlich bei den südamerikanischen Stücken -
das Folkloristische. In der "Sonate a Violoncello solo e Basso continuo
op. 4" von Jacob Hermann Klein (Zeitgenosse Bachs) findet sich nebst
einem raschen Kopfsatz mit fast jazzigem Drive ein schmerzvoller
Mittelsatz, bis der Schluss geradewegs in ein Flamencofest führt. Der
Cellist ist Néstor Cortés.

Etliche anonym überlieferte Stücke des 17. und 18. Jahrhunderts
tragen Folkloristisches in das Programm. Flamencohafte rhythmusbetonte
Ritornelle von Gitarre und Cembalo, an Andenfolklore erinnernde
Indio-Melodik und immer wieder Flamencobassgänge (eine abwärts
gerichtete Tonfolge).

Ein umfassendes Kompendium spanischen Flairs ist auch Domenico
Scarlattis mehrsätzige "Sonata d-Moll". Die musikalische Hauptlast trägt
das Cembalo, von Nadine Remmert bravourös gespielt. Der Gitarrist Hugo
de Rodas singt zusätzlich im Flamencoton. Das Allegro-Finale,
frenetisch-rasant, reißt die Zuhörer zu tosendem Beifall mit.

Die Blockflötistin Anninka Fohgrub brilliert bei Tarquinio Merulas
"Aria sopra la Ciacona: Su la cetra amorosa", als wäre das Werk ein
Flötenkonzert. Die sängerische Hauptfigur ist Sopranistin Swantje Tams
Freier, die auch den Abend moderiert. Ihr schöner, heller Sopran zeigt
sich bei Gabriel Batailles "El baxel esta en la playa" sehr
modulationsfähig. Große Stimmentfaltung im Liedhaften oder in
Tongirlanden; leisestes, doch tragendes Pianissimo.

Der frenetische Beifall wird belohnt mit einer "Gagliarda neapolitana" von Antonio Valente.