Kulturstiftung Hohenlohe

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von der Kulturstiftung

Reiner Ausdruck und Empfindsamkeit - von Ingrid Heydecke-Seidel, Hohenloher Zeitung 30.07.2015

Zwei Epochen der Musikgeschichte trennen Carl Philipp
Emanuel Bach und Modest Mussorgski. Doch in ihrer Einführung nimmt die Musikerin
etwas anderes in den Blick: Beide sind radikale Erneuerer in ihrer Zeit.
Mussorgski beschreibt die russische Seele und bricht mit der Tradition. Seine
Musik ist reiner Ausdruck.

Bach als Vertreter der Empfindsamkeit geht es immer um
Affekte, um die Leidenschaft, die er im Zuhörer erregen will. In der
Entwicklung der Klaviermusik bedeutet sein Werk einen Höhepunkt schöpferischer
Originalität mit Stimmungsschilderungen von zartester Intimität bis zu heftigen
Leidenschaften des Sturm und Drang. 

Auszeichnung
Gleich fünf Stücke aus dem Gesamtwerk - damit hat Markovina den Preis der
deutschen Schallplattenkritik gewonnen – spielt sie im ersten Teil. In der
traurigen Fantasie fis-Moll trifft sie den schwermütigen Ton ebenso wie im
G-Dur-Rondo den witzigen, ausgelassenen. Mit vielen Klangfarben freut sie sich
sichtlich an den virtuosen Ausbrüchen und frechen Überraschungen. Mit den zwölf
Variationen über „Les folies d’Espagne" ist Bach ein Geniestreich
gelungen. Überquellende Ideenfülle, dramatische Zuspitzung, mal fingerfertige
Passagen, mal Dramatik mit markanten Akkorden, geistreiche und virtuose
Ausbrüche und witzige Abbrüche mit atemberaubenden Pausen - Bachs Fantasie
scheint unerschöpflich. 

Sonaten Für seinen Schüler Herzog Carl Eugen von Württemberg schrieb er die sechs
Württembergischen Sonaten. Die in a-Moll mit ihrem zündenden Kopfsatz nimmt
gleich gefangen. Interessant ist, wie die Pianistin ein neues Thema anders
einfärbt. So gerät ihre Gestaltung ungeheuer facettenreich. Nach dem cantablen
Andante schließt sich ein draufgängerisches Rondo an: mal graziös, dann wieder
kraftvoll. Wie Markovina dem Thema in all seinen Modulationen eine neue
Bedeutung gibt ist einmalig. 

In einer Ausstellung hatte Mussorgski Bilder des verstorbenen
Malers Viktor Hartmann gesehen und komponierte innerhalb von drei Wochen Musik zu
zehn Bildern. Nach der Promenade, die die einzelnen Bilder verbindet, ersteht
unter den Pianistenfingern ganz bildhaft der groteske Gnom, das geheimnisvolle
Schloss und spielende Kinder auf den „Tuilerien". Ein polnischer
Ochsenkarren poltert schwerfällig und gewichtig daher. 

Es folgen mit Vorschlägen und Trillern die Kücklein in
den Eierschalen. Wenn sich die beiden Juden streiten, zeichnet die Pianistin
den Disput in Tönen nach. Dem geschäftigen Markt in Lomoges folgen die düsteren
Katakomben mit überirdisch schönen Klängen der Toten, sodann irdisch, laut und
schnell der Ritt der Hexe Baba Yaga und schließlich das große Tor von Kiew, der
letzten Kraftakt, den die Künstlerin mit Bravour meistert. Bravorufe und zwei
Zugaben von "ihrem" Bach und Franz Liszt.