Kulturstiftung Hohenlohe

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Presseinformationen

"Imaginäre Schnaken und kichernde Kinder" - von Renate Väisänen, Hohenloher Zeitung, 17.9.19

Ein Superstar war er in Venedig, mindestens so berühmt wie Elvis, und die Gondoliere konnten seine Hits mitträllern.“ So beschreibt der Schauspieler mit Nerdbrille und Leinenanzug den Promistatus von Antonio Vivaldi (1678 - 1741) zu dessen Lebzeiten. Um ihn und seine Greatest Hits, nämlich die vier Violinkonzerte namens „Le quattro stagioni“, geht es im ausverkauften Theresiensaal der Kupferzeller Akademie beim diesjährigen Familienkonzert des Hohenloher Kultursommers.
Mittels der vier Werke, denen Vivaldi jeweils ein erklärendes Sonett vorangestellt hatte, entführt Frederic Böhle zusammen mit Soloviolinistin Martina Trumpp und dem Streichensemble D‘Accord (Camilo Velasquez und Marketa Janouskova, Geigen; Stephan Knies, Viola; Philipp Hagemann, Violoncello; Alena Kissinger, Kontrabass) die rund 110 großen und kleinen Zuschauer auf eine Reise in die Welt von Vivaldis barocker Programmmusik.
„Eine ganz schöne Aufgabe hat sich Vivaldi da gestellt – die vier Jahreszeiten in 40 Minuten“, findet Böhle. „Ach, du kennst es schon“, antwortet er einem Kind in der ersten Reihe. „Wow, da kann ich dir aber noch einiges dazu erzählen.“
Körpereinsatz Und das kann er tatsächlich – und nicht nur mit Worten: Zum populären, fanfarenartigen Ritornell-Motiv „Der Frühling ist gekommen“ aus dem ersten Satz des „Frühlings“, welchen die Kammermusiker dem Publikum zu Gehör bringen, schwelgt er mit ganzen Körpereinsatz in den Freuden des Lenzes und weiß: „Wenn ein solches Thema in fast jedem Film vorkommt, wie es dieses tut, dann hast du es als Komponist geschafft“.
Worauf er die Zuschauer und Zuhörer auf das von den Streichvirtuosen ebenso plastisch wie hinreißend dargebotene drohende Gewitter vorbereitet sowie auf das von den drei Sologeigen in zauberhaft fragiler Weise vorgetragene „tonreiche Lied“ der Vögel.
Spaßig finden die Kids, wenn der Schauspieler zur Musik den dösenden Schäfer mimt, das Bellen von dessen Hund zu den Klängen der Bratsche imitiert und mit den Nymphen die Dudelsack-Pastorale tanzt.
Den „Sommer“ mit seinen Hitzegewittern, Kuckuckslauten, dem Taubengurren und zarten Zirpen des Distelfinks bebildern Streicher und Schauspieler für das Publikum ebenso farbenreich und greifbar, wie Böhle unter dem Kichern der Kinder vergeblich imaginäre Schnaken zu vertreiben sucht. Im „Herbst“ wandelt sich ebendieser zum trinkfreudigen, durchs Publikum schwankende, bald Morpheus Armen anheimfallenden Bauern, oder er mimt zu den satten, samtenen Klängen des Jagdmotivs den Waidmann, um danach dessen Beute, das verwundete, sacht dahinscheidende Reh, zu markieren.
Bei den eisig klirrenden Klängen des „Winters“ und „des erbarmungslos schrecklichen Windes“ animiert Böhle die Konzertbesucher bei der entsprechenden Musik, sich die Hände warm zu reiben, mit den Füssen zu stampfen und mit den Zähnen zu klappern.
Betörendes Musikalisch Betörendes wird zu den „ruhigen und zufriedenen Tagen am Kamin“ kredenzt: „Ist das nicht schön? Mir ist es jetzt wieder richtig warm“, freut sich Böhle. Doch zu früh gefreut: Denn auch einen Ausflug aufs dünne Eis beschreibt Vivaldis Musik.
Mit Stichworten zu den einzelnen Motiven gibt‘s im Anschluss den „Winter“ noch einmal in voller Länge. Wie auch noch einmal den „Sommer“: Nach frenetischen Beifall und Bravorufen dürfen die Konzertbesucher ebendiesen in seinem ganzen Farbenreichtum und seiner Schönheit noch einmal als Zugabe genießen.